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Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf Vergabeverfahren
In Reaktion auf den durch Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Europäische Union bekanntlich umfangreiche Sanktionen erlassen. Diese betreffen auch Vergabeverfahren über öffentliche Aufträge und Konzessionen sowie darüber hinaus die weitere Ausführung von bereits begonnenen Verträgen über derartige Leistungen. Zur Regelung dieser Themen hat der Rat der EU in einer unmittelbar geltenden Verordnung mit dem sperrigen Titel „Verordnung (EU) 2022/576 vom 08.04.2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren“ konkrete Regelungen erlassen.
Da die unmittelbare Regelungsbefugnis der Europäischen Union sich nur auf das sogenannte EU-Vergaberecht bezieht, gelten die folgenden Ausführungen nur für solche Vergabeverfahren und Aufträge, die unmittelbar dem EU-Vergaberecht unterliegen. Sie betreffen also nur Aufträge und Konzessionen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte. Für sogenannte Unterschwellenvergaben sind die maßgebenden Regelung in Art. 5k der Sanktions-VO daher nicht anwendbar. Auch für solche Anwender des Vergaberechts, die hierzu nur auf der Grundlage von Zuwendungsbescheiden verpflichtet sind, gelten die Regelungen nicht unmittelbar. Erfasst werden allerdings zahlreiche Verträge, die in den EU-Vergaberichtlinien an sich von der Verpflichtung zur Durchführung von Vergabeverfahren ausgenommen sind, wie z.B. Grundstücks- und Immobilienverträge und insbesondere natürlich alles sicherheitsrelevanten Aufträge.
Nach der Sanktionsregelung ist es verboten, Aufträge oder Konzessionen an Personen und Unternehmen zu vergeben, die russische Staatsangehörige oder als Unternehmen in Russland niedergelassen sind. Ebenso ist es verboten, derartige Vergaben vorzunehmen, wenn ein russischer Staatsangehöriger oder ein in Russland niedergelassenes Unternehmen an dem Bieter/Bewerber zu mehr als 50 % beteiligt ist. Schließlich umfasst das Verbot sogar Fälle, in denen das Handeln eines Bewerbers oder Bieters im Namen oder auf Anweisung von russischen Staatsangehörigen oder von mehrheitlich in Russland niedergelassen Unternehmen erfolgt (dies macht nebenbei deutlich, aus welchem Grund viele in der EU ansässige Unternehmen so schnell bereit waren, ihre Niederlassungen in Russland zu schließen).
Das Verbot entsprechender Vertragsschlüsse betrifft aber nicht nur die unmittelbare Vergabe von Aufträgen oder Konzessionen. Erfasst sind nämlich auch mittelbar an der Auftragsausführung beteiligte Personen und Unternehmen, soweit auf diese mehr als 10 % des Auftragswerts entfällt. Dies gilt für Unterauftragnehmer, Lieferanten oder Unternehmen, deren Kapazitäten im Rahmen einer Eignungsleihe in Anspruch genommen werden. Das bedeutet, dass schon kleine Beiträge von russischen Staatsangehörigen oder mehrheitlich in Russland niedergelassenen Unternehmen ausreichen, um das Zuschlagsverbot auszulösen.
Zum Zweck der in laufenden Vergabeverfahren zutreffenden Feststellung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird von Seiten des BMWK die Einholung einer Eigenerklärung empfohlen. Auf der Internetseite des Ministeriums wird ein Muster für eine solche Eigenerklärung zum Download zur Verfügung gestellt.
Das Verbot geht aber noch weiter. Es wird nämlich nicht lediglich untersagt, entsprechende Vergaben vorzunehmen. Vielmehr wird auch ein Erfüllungsverbot für bereits geschlossene Verträge geregelt. In der Sanktions-VO wird angeordnet, dass die Erfüllung von Verträgen mit Auftragnehmern oder Konzessionsnehmer, die russische Staatsangehörige sind oder mehrheitlich als Unternehmen in Russland niedergelassen sind, verboten ist. Solche Verträge sind danach bis zum 10.10.2002 20 zu beenden.
Für Verträge, an denen Unterauftragnehmer, Lieferanten oder Eignungsverleiher auf Auftragnehmer- bzw. Konzessionsnehmerseite beteiligt sind, ordnet die Sanktions-VO an, dass der Auftragnehmer bzw. Konzessionär dazu zu verpflichten ist, die Geschäftsbeziehung zu diesem bis zum 10.10.2022 zu beenden. Verstößt der Auftragnehmer oder Konzessionsnehmer gegen diese Verpflichtung, muss der öffentliche Auftraggeber / Konzessionsgeber den Vertrag mit diesem kündigen.
Weil natürlich der Gedanke naheliegt, dass dies zu Schadensersatz führen könnte, ordnet die Sanktion-VO weiter an, dass eine dahingehende Verpflichtung ausgeschlossen ist.
Weitere Informationen finden sich in der angesprochenen Verordnung sowie – einfacher lesbar – darüber hinaus einem Rundschreiben BMWK mit dem Titel „Erste Informationen zur Anwendung der Russland-Sanktionen im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen vom 8. April 2022“. Dieses Schreiben ist auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht.